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der kirschgarten

anton p. tschechow, übersetzung janina rudenska/august scholz/annette storr

 

fassung/regie: annette storr,

co-regie: steffen klewar

buehne/kostuem/licht: silke bauer

mit: janina rudenska,sebastian straub, ursula hobmair, anne schoen, fanny wehner, sebastian thiers, dieter buß, cathrin romeis, johannes karl, jakob walser, rudolf blahnik, konny kopf, michel leoff, wilhelm resch

juedisches orchester: michelangelo rinaldi, clara gervais, bärbel schwarz, inez, luca fiorini, volker biesenbender

Sicher, am Ende einer langen Eisenbahnreise ist man gewohnt, Gute Nacht zu sagen und ins Bett zu gehen. Aber lassen Sie uns bei dieser Gelegenheit, da alles so befremdlich ist, der Morgen heraufdämmert, die Vögel in den Kirschbäumen zu zwitschern beginnen, zu einer Tasse Kaffee zusammenkommen; lassen Sie uns reden über Gott und die Welt. Wir alle sind in dem seltsamen Gemütszustand, in dem Gedanken in Worte überzugehen scheinen, ohne ausgesprochen zu werden. Die Reise ist vorüber, und wir sind am Ende von allem angekommen – wo der Raum grenzenlos und die Zeit unendlich erscheint. ...

In dem Zimmer sagten die Personen plötzlich alles, was ihnen in den Sinn kam, jedoch immer vage, als dächten sie laut. Da war keine "Sittenkommödie"; kaum ein Gedanke streifte den anderen, ganz zu schweigen davon, daß sie sich aneinander entzündet hätten; das war kein Konflikt zwischen Individuen, die etwas wollen. Gleichzeitig waren die Personen höchst konkret und ohne Sentimentalität. Nicht einen Augenblick lang hatte man den Eindruck, daß Madame Ranewskaja, wenn sie sprach, mystische Anspielungen auf anderes gemacht hätte. Ihre eigenen Gefühle reichten ihr völlig aus.

Wenn das Gesagte symbolisch wirkte, dann, weil es tiefgründig genug war, um weit mehr als einen Vorfall im Leben eines Individuums zu beleuchten. Und obgleich der Sprung vom einen Gedanken zum anderen so groß war, daß ein Eindruck gefährlicher Zerissenheit aufkommen konnte, vereinten sich schließlich all die einzelnen Haltungen und Personen zu einem einzigartigen, überwältigenden Eindruck. ... nimmt man den Begriff Atmosphäre wörtlich, so besagt er, daß es Tschechow gelungen ist, einen leuchtenden Nebel über uns auszuschütten, in dem das Leben erscheint, wie es ist, ohne Schleier, transparent und bis in die Tiefen einsehbar.

                                                                                                                                                                                       Virginia Woolf,  Kritik der londoner Premiere 1920

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